Heinrich von Kleist                An die Königin Luise von Preußen

1777 – 1811                                        zur Feier ihres Geburtstags den 10. März 1810

                                                              

                                                               ( 3. Fassung )

 

                                                               Erwäg ich, wie in jenen Schreckenstagen,

Still deine Brust verschlossen, was sie litt,

Wie du das Unglück, mit der Grazie Tritt,

Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,

 

Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen

Selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,

Wie, trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt,

Du stets der Hoffnung Fahn uns vorgetragen:

 

O Herrscherin, die Zeit dann möcht ich segnen!

Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen,

Wie groß du warst, das ahneten wir nicht!

 

Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert;

Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,

Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!